– Tara’s English words at the bottom –
Genau in dem Moment, als ich Brian Molko zum ersten Mal mit einer Gretsch-Gitarre in den Händen sah, war es um mich geschehen. Einen so schönen, wohlgeformten Körper habe ich bis dahin nie bewusst registriert und auf Schwarz stehe ich ohnehin. Gemeint ist natürlich die Gitarre, um genau zu sein Brians Gretsch Duo Jet aus dem Jahr 1955.
Seitdem hat das Gretsch-Fanfieber unheilbar von mir Besitz ergriffen und ich stellte fest, dass gar nicht mal wenige Musiker Gitarren dieser Marke in ihrer Sammlung haben. Brian Molko besitzt sogar drei ähnlich aussehende Gretsch-Gitarren (Genaueres dazu findet man in meiner Auflistung von Brian Molkos Gitarren unter „Weitere Gitarren“.) und auch Bandkollege Stefan Olsdal spielt mehrere Gretsch-Modelle: eine Anniversary, eine White Falcon und eine Silver Falcon.
Leider hat bislang niemand über eine Gretsch in meiner Rubrik „Gitarre des Monats“ berichtet. Das wird nun ausgiebigst nachgeholt, denn in diesem Februar darf ich gleich mehrere wunderschöne Gretsch-Gitarren präsentieren. Gemäß der Motto „Aller guten Dinge sind drei“ kommen drei Musiker mit ihren Gretsch-Geschichten zu Wort: Tara Pinsler aus Berlin, die mir im November 2012 die allererste „Gitarre des Monats“ überhaupt lieferte (>hier<), Wayne Jackson von der Band The Dead Lovers und Björn aus Bitburg, dessen Band Cold Cold Hearts ich im letzten Sommer beim Konzert gesehen habe. Jede Gretsch-Geschichte habe ich als englische Version erhalten, die ich hier und da etwas freier übersetzt und nach der deutschen Version angehängt habe. Es gilt dasselbe wie immer: Da mein Wortschatz, was Technik und Klanggedöns betrifft, noch ausbaufähig ist (positiv ausgedrückt), bin ich dankbar für Verbesserungsvorschläge bei meinen Übersetzungen.
Herzlichen Dank an die drei Musiker!
Damit ihr keinen halben Kilometer lang herunterscrollen müsst bis zu den anderen Gretsch-Geschichten, habe ich das Ganze in drei separate Beiträge aufgeteilt.
Teil 2: Wayne Jacksons Geschichte >hier klicken<
Teil 3: Björns Geschichte >hier klicken<
Ladies first:
Tara Pinsler hat von Berufs wegen mit Gitarren zu tun – unter anderem verdient sie als Boss bei Rockin‘ Repairs ihr Geld mit der Reparatur und der Wartung von Gitarren. Beweis dafür, dass ihr die Saiteninstrumente am Herzen liegen und sie es auch in ihrer Freizeit genießt, sich mit diesen Instrumenten zu beschäftigen, ist ihre recht ansehnliche Gitarrensammlung. In ihrem Besitz befinden sich auch zwei Gretsch Duo Jets (Ich möchte es noch einmal betonen: ZWEI Gretsch-Gitarren!), eine 6128T und das Modell 6128T-1957. Das sind ihre Worte:
Das ist die Geschichte einer Gretschaholikerin und eines Verlangens, das so stark ist, dass ich mir nicht eine, sondern zwei Duo Jets innerhalb von drei Monaten kaufte. Ich denke aber, ich sollte ganz von vorne beginnen…
Duo Jets waren mir schon vor langer, langer Zeit aufgefallen. Ich glaube, das erste Mal, dass ich eine bewusst wahrnahm, war, als ich George Harrison auf seiner Gretsch Duo Jet abrocken sah, als ich ein junges Mädchen war, das sich gerade seine erste Gitarre zugelegt hatte… Es war Liebe auf den ersten Blick, allerdings Liebe zur Gitarre, nicht zu George. Im Laufe der nächsten zehn Jahre stellte ich fest, dass viele meiner musikalischen Vorbilder eine solche Gitarre spielen: Brian Molko (Placebo), David Gilmour (Pink Floyd), Jimmy Page (Led Zeppelin), The Edge (U2), Malcom Young (AC/DC), Keith Richards (The Rolling Stones), Jack White (The White Stripes) und Scott McCaughey (REM), um ein paar zu nennen. Es war auch nicht gerade hilfreich, dass Ewan McGregor und Jonathan Rhys Meyers in dem Film „Velvet Goldmine“ auf Duo Jets abrocken. Fast hatte es den Anschein, als könnte ich dieser Gitarre nicht entkommen und jedes Mal, wenn ich eine sah, verliebte ich mich ein kleines bisschen mehr. Allerdings war ich in der ungünstigen Situation, in Australien zu leben, und Gretsch-Gitarren waren damals dort nur spärlich vorhanden. In Geschäften gab es sie nicht und ich hätte doch so gerne einmal eine ausgetestet, um zu sehen, ob der Hype, den ich in meinem Kopf aufgebaut hatte, wirklich gerechtfertigt war. In der Hoffnung, von irgendeiner anderen Gitarre total geflasht zu werden, kaufte in dieser Zeit viele hübsche Gitarren und verkaufte sie wieder, denn keine passte so richtig in den Gretsch-förmigen Abdruck in meinem Herzen.
Zeitsprung ins Jahr 2008, ich arbeitete gerade in einem Tonstudio in der Nähe einer großen Musikalienhandlung und benötigte ein paar Teile, um eine dringende Gitarrenreparatur für einen Kunden vornehmen zu können, bevor die Albumaufnahmen fortgesetzt werden konnten… Ich betrat also den Laden, konzentrierte mich total darauf, die Teile, die ich brauchte, zu kaufen und dann das Geschäft so schnell wie möglich wieder zu verlassen (Gitarrenläden haben auf mich dieselbe Wirkung wie Treibsand), und als ich gerade in Richtung Ausgang unterwegs war, erblickte ich direkt bei der Tür eine Duo Jet. Sie hing da und glänzte, als hätte sie einen Heiligenschein. Ich musste sie spielen, sämtliche Pläne waren sofort ad acta gelegt. Ich nahm sie von der Wand, stellte fest, dass es eine 6128T war (die mit den Filtertrons), schloss sie an einen VOX AC30 an und als ich den ersten Akkord spielte, blieb die Welt für mich still stehen. Ich wusste, dass ich nicht ohne diese Gitarre da rausgehen würde – und ich tat es auch nicht.
Ich kann es nicht so genau sagen, was diese Gitarre und mich so stark verbunden hat. Lag es daran, dass der Hals wie maßgeschneidert für meine Hand war? Oder eher daran, dass ich endlich eine Gitarre gefunden hatte, die genauso klingt, wie ich mir den perfekten Klang seit so vielen Jahren vorgestellt hatte? War es die Tatsache, dass sie sich so einfach spielen ließ und der Bigsby das Ganze noch lebendiger machte? Oder dass es die am coolsten aussehende Gitarre, die ich seit langer, langer Zeit gesehen hatte, war? Oder war es einfach nur die jahrelange Begierde, eine Gretsch zu besitzen? Ich weiß es nicht und würde sagen, es war ein bisschen von allem… Die Gitarre passte einfach besser zu mir als jede andere, die ich bis zu diesem Zeitpunkt gespielt hatte. Ich hatte sogar den Eindruck, dass sie mich zu einer besseren Gitarristin macht. Wir wurden unzertrennlich.
Nach ein paar Wochen, in denen ich mein Leben und meine Verpflichtungen links liegen ließ, nur um meiner neuen Liebe nahe sein zu können, entdeckte ich, dass es eine DynaSonic-Version meiner Gretsch gab, die 6128T-1957, und dass sie genauso großartig klingt, wenn auch völlig anders… Erneut erwachte das Verlangen und ich wusste, dass ich auch ein solches Modell haben musste. Deshalb machte ich mich auf die Suche und durchforstete eBay und fand schließlich eine für einen guten Preis nur 100 Kilometer südlich von Sydney… Der Rest ist Geschichte.
Somit wäre nun geklärt, wieso ich zwei Duo Jets besitze und eher gefriert die Hölle, als dass ich mich von ihnen trenne. Sie reisten mit mir um die halbe Welt nach Berlin und ich liebe sie beide immer noch genauso sehr wie an dem schicksalhaften Tag in dem Musikaliengeschäft, als ich meine erste Kostprobe hatte. Seid gewarnt! Wenn du einmal auf den Gretsch-Geschmack gekommen bist, bist du nicht mehr derselbe Mensch!
Was die Details betrifft:
Die 6128T stammt aus dem Jahr 2008 und ist in Terada (Japan) gebaut worden, und zwar in derselben Fabrik, in der Fender die japanischen Gitarrenmodelle herstellt (Fender ist jetzt Eigentümer von Gretsch). Sie besitzt als Pickups Filtertron-Humbucker und ein Bigsby B3 Tremolo. Ausgestattet ist sie mit einem „Tone-switch circuit“ (von Gretschaholics liebevoll „mud switch“ genannt), was bedeutet, dass man einen Dreiwegeschalter hat, um die Höhen einzustellen: Die mittlere Position verändert nichts an den Höhen, während die beiden anderen Einstellungen mehr oder weniger Höhen ausblenden. Das beschränkt zwar insgesamt die Möglichkeiten, den Klang einzustellen, erlaubt aber schnelle und drastische Klangänderungen mitten im Lied, was ein cooler Effekt ist. Die einzige Modifikation, die ich an dieser Gitarre vorgenommen habe, besteht darin, dass ich eine Compton Compensated Custom Bridge aus rostfreiem Stahl eingebaut habe, mit der man einen besseren Klang erzielt als über die serienmäßig eingebaute Space-Control Bridge, außerdem macht der neue Steg das Palm Muting viel einfacher.
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Die 6128T-1957 ist aus dem Jahr 2005 und wurde auch in Terada hergestellt. Sie besitzt DynaSonic Single-Coil Pickups und ein Bigsby B3 Tremolo. Sie ist ausgestattet mit einem „Tone-knob circuit“, was heißt, dass man den Klang mit einem Potentiometer einstellen kann und man mehr Kontrolle über die Höhen hat. Die einzige Veränderung, die ich hier vorgenommen habe, besteht ebenfalls darin, dass ich eine Compton Compensated Custom Bridge aus rostfreiem Stahl eingebaut habe.
Mein größtes Dilemma besteht heutzutage darin zu entscheiden, auf welcher der beiden Gitarren ich zuerst spielen möchte.